Preisanpassung bei unrichtigen Kalkulationsgrundlagen

Kalkulationsirrtum: OGH klärt Voraussetzungen für Preisanpassung bei Massenmehrungen
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Der Oberste Gerichtshof (OGH) hat mit seinem Beschluss vom 17. August 2023 (5 Ob 205/22s) die Grundsätze für den Umgang mit Kalkulationsirrtümern und Massenmehrungen bei Bauverträgen präzisiert. Der zentrale Punkt der Entscheidung liegt in der Frage, wann die Offenlegung von Kalkulationsgrundlagen und unrichtige Flächenangaben im Leistungsverzeichnis eine irrtumsrechtliche Preisanpassung rechtfertigen können.

Hintergrund des Falls

Eine Arbeitsgemeinschaft hatte ein Drittunternehmen mit Fassadenarbeiten beauftragt. Grundlage der Angebotslegung war ein von der Auftraggeberin vorgegebenes Leistungsverzeichnis mit detaillierten Einzelpositionen und konkreten Flächenangaben, die sich später als falsch herausstellten. Die Klägerin forderte daraufhin eine Anpassung des Pauschalpreises aufgrund einer erheblichen Massenmehrung.

Die Kernfrage der Entscheidung

Der OGH stellte klar: Wann immer Mengen und Massen durch den Auftraggeber in einem konstruktiven Leistungsverzeichnis mit detaillierten Einzelpositionen vorgegeben werden, kann eine fehlerhafte Flächenangabe zu einem Kalkulationsirrtum führen, der irrtumsrechtlich relevant ist und eine Preisanpassung ermöglicht. Entscheidend ist dabei, dass die Kalkulationsgrundlagen offengelegt wurden und als Vertragsbestandteil anzusehen sind.

Die rechtlichen Leitlinien des OGH

  1. Offenlegung der Kalkulation
    Im vorliegenden Fall enthielten die Leistungsverzeichnisse detaillierte Vorgaben zu Mengen und Einzelleistungen. Diese wurden von der Auftragnehmerin in die Kalkulation übernommen. Eine solche Offenlegung der Kalkulationsbasis führt dazu, dass ein Irrtum über die Richtigkeit der Flächenangaben nicht nur ein Motivirrtum, sondern ein beachtlicher Geschäftsirrtum ist.
     
  2. Veranlassung des Irrtums durch falsche Angaben
    Die fehlerhaften Flächenangaben wurden von den Auftraggebern auf Nachfrage bestätigt. Diese explizite Bestätigung führte dazu, dass die Auftragnehmerin davon ausgehen durfte, die Mengenangaben ungeprüft übernehmen zu können. Der Irrtum wurde somit durch die Auftraggeber veranlasst, selbst wenn keine Täuschungsabsicht vorlag.
     
  3. Irrtumsrechtliche Preisanpassung
    Der OGH stellte fest, dass eine Preisanpassung bei einem wesentlichen Irrtum gerechtfertigt ist, wenn die fehlerhaften Angaben des Leistungsverzeichnisses für die Vertragskalkulation maßgeblich waren und die Parteien hypothetisch auch unter Berücksichtigung der richtigen Mengen eine Einigung erzielt hätten.

Praktische Bedeutung der Entscheidung

Diese Klarstellung des OGH ist besonders relevant für Bauverträge, bei denen Leistungsverzeichnisse die Grundlage der Vertragskalkulation bilden. Auftraggeber müssen sich bewusst sein, dass unrichtige Mengenangaben in Leistungsverzeichnissen erhebliche Auswirkungen haben können und zu nachträglichen Preisanpassungen führen dürfen. Für Auftragnehmer bedeutet dies, dass eine sorgfältige Prüfung der Vorgaben zwar wünschenswert ist, aber nicht erforderlich, wenn die Mengenangaben vom Auftraggeber ausdrücklich bestätigt wurden

Fazit

Baurechtsexperte Dr. Christopher Fink zur Entscheidung: „Der OGH hat mit dieser Entscheidung eine wegweisende Klarstellung zur Behandlung von Kalkulationsirrtümern bei unrichtigen Flächenangaben getroffen. Sie unterstreicht, dass die Verantwortung für die Richtigkeit von Vorgaben im Leistungsverzeichnis beim Auftraggeber liegt, wenn diese zum Bestandteil des Vertrags wurden. Bauherren und Auftragnehmer sollten deshalb die Inhalte von Leistungsverzeichnissen und deren Kalkulationsgrundlagen genau prüfen, um spätere Konflikte zu vermeiden.“

 

 

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