Das Oberlandesgericht (OLG) Wien hat in seiner Entscheidung vom 27. April 2023 (2 R 21/23g), bestätigt durch den Obersten Gerichtshof (5 Ob 135/23 y) die Produzentenhaftung in einer wichtigen Konstellation des Bau- und Produkthaftungsrechts präzisiert. Im Mittelpunkt stand die Haftung einer Herstellerin von Thermodachpaneelen für Schäden und Mangelfolgeschäden, die bei der Verwendung ihrer Produkte aufgetreten sind. Das Gericht sprach aus, dass der Endabnehmer gegen den Hersteller auch ohne direktes Vertragsverhältnis Ansprüche erheben kann.
Der Sachverhalt
Die Klägerin, eine Tischlerei, ließ eine Betriebshalle mit einer Thermodacheindeckung versehen. Diese Dachpaneele, hergestellt von der beklagten Partei, zeigten wenige Jahre nach der Montage erhebliche Mängel: Die Beschichtung löste sich großflächig ab, und es bildeten sich gasgefüllte Blasen, die die Tragfähigkeit beeinträchtigten.
Die Entscheidung des OLG Wien
Das Gericht erster Instanz hatte die Klage der Tischlerei abgewiesen. Das Erstgericht erkannte keinen Ersatzanspruch für reine Vermögensschäden aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.
Das OLG Wien hat diese Entscheidung revidiert und die Haftung der Beklagten für sämtliche Mängel und Mangelfolgeschäden festgestellt. Wesentliche Punkte der Entscheidung umfassen:
- Produzentenhaftung: Das Gericht stellte klar, dass die Beklagte als Produzentin der Paneele haftet. Es wies darauf hin, dass die Fehlerhaftigkeit der Produkte auf Produktionsmängeln beruht, für die die Beklagte die Verantwortung trägt.
- Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter: Das Gericht bejahte eine Haftung der Beklagten, da die Paneele erkennbar für die Verwendung durch die Klägerin als Endabnehmerin bestimmt waren. Das OLG schloss sich dabei Ansichten an, wonach reine Vermögensschäden unter bestimmten Voraussetzungen ersatzfähig sein können.
- Keine Mitverschuldung: Das OLG verneinte ein Mitverschulden der Klägerin, da die Mängel weder durch Wartung verhindert noch durch frühzeitige Entdeckung saniert werden konnten.
Bedeutung für die Praxis
Diese Entscheidung stärkt die Position von Endabnehmern gegenüber Herstellern in Fällen von Produktmängeln. Für Hersteller unterstreicht das Urteil die Wichtigkeit sorgfältiger Produktions- und Qualitätskontrollen. Der Oberste Gerichtshof hat die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Wien bestätigt.
Fazit
Baurechtsexperte Dr. Christopher Fink zum Urteil: „Das OLG Wien hat mit dieser Entscheidung wichtige Akzente im Produkthaftungsrecht gesetzt und einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den Interessen der Produzenten und der Endabnehmer geschaffen, der früher oft mit leeren darstellen musste, dass seinem Vertragspartner, den Professionisten, die Fehlerhaftigkeit des Produktes des Herstellers nicht auffallen musste.“